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Notes from Outside

Ein unerwartetes Abenteuer in Wales

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Ein unerwartetes Abenteuer in Wales

Notes from Outside
/Ausgabe 3

Ein unerwartetes Abenteuer in Wales

Bryony Carter
/Lesezeit: 4 Minuten

Und auf einmal ist der Sommer da. Diese paar Monate, in denen die Tage lang und die Ärmel kurz sind, in denen uns warme Luft auf der Haut wie das Normalste der Welt vorkommt. Die Zeit im Jahr, in der es egal ist, wo wir sind, Hauptsache es ist draußen. Mit der dritten Ausgabe von „Notes from Outside“ laden wir dich an einen Ort in der Natur ein, den nur wenige Leute auf ihrer Bucket List haben. Hier kommt es nicht darauf an, den Weg zu bezwingen, sondern ihn überhaupt zu finden – und dabei deine Vorstellung von dem, was Abenteuer ist, zu erweitern. Ich wünsche dir viel Spaß mit unserer dritten Geschichte.

Catherine

Chefredakteurin Notes from Outside

Als ich beschloss, jeden Berg in Großbritannien über 2000 Fuß (609,6 m) zu erwandern, war mir schon klar, dass das kein Selbstläufer werden würde, und so hänge ich jetzt hier an einem Büschel Heidekraut. Mein Gesicht ist rot, mein Herz schlägt bis zum Hals und ich quäle mich einen steilen, farnbewachsenen Hang in den westlichen Berwyns hinauf.

Hast du schon mal von den Berwyns gehört? Natürlich nicht, denn außer albernen Gipfelsammlerinnen wie mir geht schließlich niemand dort hin.

Die Gipfel hier sind nicht die, von denen Abenteurer:innen träumen und du wirst sie auch kaum in Instagram-Stories sehen. Das einzige, was ich zu ihrer Ehrenrettung sagen kann, ist, das Wetter war perfekt: kein Wind, kein Regen, nur Sonne, ganz viel heiße Sonne.

Die Berwyn Mountains sind wild und rau und befestigte Wege gibt es eher selten. Die britische Armee weiß schon, warum sie gerade hier Übungen durchführt. Ich hatte eine 9-Gipfel-Runde geplant und der erste sollte der „Foel Goch“ sein (einer von mehreren Foul Gochs im Snowdonia National Park). Meine geplante Route folgte dem Weg des geringsten Widerstands – dachte ich zumindest. In Wahrheit war sie unerbittlich und endlos, eine einzige Gipfelhölle. Dazu kommt die „Wegblindheit“. Alle, die selbst wandern, können das wahrscheinlich nachvollziehen. Wenn du dich fragst: Ist das ein offizieller Weg oder ein Trampelpfad? Die Euphorie, wenn du denkst, du hättest den besten Weg aller Zeiten gefunden, und dann die tiefe Verzweiflung, wenn er sich in borstigem Heidekraut verläuft.

Ich hatte das Gefühl, als würde ich ständig aufwärts laufen, ohne mich vorwärtszubewegen. Ich hatte noch nicht mal den ersten Kilometer meiner 21-Kilometer-Tagestour hinter mir und war schon völlig erschöpft.

Aber irgendwann verschwand die Heide, machte Platz für eine freundlichere Landschaft – oder zumindest eine weniger borstige – und den Weg frei zum Gipfel. Was für eine Freude! Ich ließ mich auf den Boden fallen, streckte meine Beine in den Himmel, betrachtete meine vom Heidekraut zerkratzten Beine und untersuchte jede Hautfalte nach Zecken.

Während ich da lag, den Kopf auf dem Rucksack, und mit laut pochendem Herz durchatmete, spürte ich, wie die leichte Brise langsam den Schweiß auf meiner Haut zu einer salzigen Kruste trocknete – und fragte mich, warum tue ich das? Warum kämpfe ich mich in der Hitze durch bissige Pflanzen den Berg hinauf? Die Antwort ist einfach: Alle Anstrengungen, alles Fluchen auf das Grünzeug, alles ist vergessen, wenn ich den Steinhaufen, der den Gipfel markiert, erreicht habe – außer natürlich, wenn die Sonne brennt und ich vor lauter verlaufener Mascara in meinen Augen nichts sehen kann.

Die Aussicht an diesem Tag war fantastisch: vor mir lagen die Rhinogs und die Snowdon Kette und die Landschaft unter mir lag da wie ein grüngelber Teppich. Die Welt war still, bis auf ein Schwarzkehlchen, das um mich herumhüpfte, und ich konnte spüren, wie sich mein ganzer Ärger in Luft auflöste.

Ich rappelte mich wieder auf, knipste ein Gipfelfoto mit meinen berühmten laminierten Zahlen, die mich auf allen meinen Wanderungen begleiten (das war übrigens Nummer 333 meiner Gipfel über 2000 Fuß) und machte mich frohen Mutes auf den Weg. Ein Gipfelfoto hebt bei mir immer die Stimmung. Und die Tatsache, dass der nächste Gipfel in Sichtweite ist, hilft auch dabei. Ich war bester Laune und sehr zufrieden damit, an einem Freitag draußen an diesem schönen Ort zu sein, statt drinnen am Schreibtisch sitzen zu müssen.

Nachdem ich die anderen Gipfel des Bergrückens abgehakt hatte – Trum Y Gwragedd und Foel y Geifr – war ich wieder auf weglosem Terrain. Ich federte locker den Berg hinunter, streckte die Beine für jeden Schritt nach vorne, suchte nach Lücken zwischen den Grasbüscheln und versuchte, nicht mit den Knöcheln umzuknicken. Dann kam das Heidekraut wieder und ich war schon fast etwas beleidigt. Aber es war doch nicht so schlimm wie vorher und außerdem war meine Aufmerksamkeit eingenommen von drei Hubschraubern, die im Tal unter mir kreisten – wahrscheinlich eine Armeeübung.

Weiter ging’s zur nächsten Gipfelgruppe des Tages. Aber vorher musste ich noch durch einen Abschnitt mit Torfmooren stapfen. Bei dieser Gelegenheit sollte man vielleicht erwähnen, dass das Wandern in den Berwyns eine gewisse Eintönigkeit mit sich bringt: Die Gipfel sehen alle gleich aus und die Torfmoore mit ihren unscheinbaren nassen Grasklumpen sind nicht gerade fotogen.

Aber wenn man die Landschaft versteht, weiß man sie über ihr Aussehen hinaus zu schätzen.

Zu wissen, dass die Moore dabei helfen, den Klimawandel zu verlangsamen, erfüllt die Ökologin in mir mit tiefstem Respekt und Ehrfurcht. Leider waren die Moore so trocken, dass sie aussahen wie vertrocknete Schafskadaver. Aber wandertechnisch betrachtet ist das trockene Torfmoor gegenüber der morgendlichen Heidehölle durchaus ein Gewinn.

Wovon man in den Berwyn Mountains noch ganz viel bekommt, ist Ruhe und Abgeschiedenheit. Hier gibt es keine Warteschlangen für den Gipfel und die weite Landschaft gibt dir das Gefühl unbedeutend und klein zu sein. Das klingt wie ein Klischee, aber es ist wahr: Wandern in einem Gelände wie diesem erfüllt dich mit Respekt vor der Natur und zeigt dir deinen Platz in ihr.

Nachdem ich meine heutigen neun Gipfel erreicht hatte, dachte ich darüber nach, was für eine Achterbahnfahrt diese Gipfelsammelei für mich ist. Letztendlich bereue ich es eigentlich nie, denn ich lerne jedes Mal etwas über mich und meinen Platz in der Welt dazu. Wenn ich dann müde im offenen Kofferraum meines Autos sitze und mir die Stiefel mit dem halben Berg Heidekraut von den Füßen ziehe, ist dieses Gefühl der Erfüllung mehr Wert als alles andere: Ich habe mich angestrengt und ich habe etwas Neues entdeckt. Die Berwyns sind bestimmt nicht die Supermodels der britischen Berge, aber sie sind ein Ort, an dem man sich wunderbar verlieren kann. Und dafür verdienen sie Anerkennung.

Text & Fotos: Bryony Carter

Bryony Carter ist eine britische Abenteurerin und komoot-Markenbotschafterin. Ihr Ziel ist es, sämtliche Berge im Vereinigten Königreich über 2000 Fuß (609,6 m) zu besteigen. Als engagierte Naturschützerin setzt sie sich außerdem für die Erhaltung der Vielfalt in der Natur ein. Schau dir ihre Collection mit den walisischen Zweitausendern an und und folg ihr auf komoot.

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