Auszeit auf dem Balkan – Zwischen Kroatien und Bosnien-Herzegowina

Nachdem ich zwei Monate lang Radreisen in Kroatien geführt hatte, brauchte ich eine Auszeit. Der Sommer neigte sich dem Ende zu und ich hatte endlich ein paar Tage Urlaub, bevor ich mich auf den Weg zurück in meine Heimat Frankreich machen würde. Also beschloss ich, tief durchzuatmen und den Balkan allein mit dem Fahrrad noch ein wenig mehr zu erkunden.

Die Balkanhalbinsel, diese faszinierende Bergregion im Südosten Europas, wird im Norden von Ebenen begrenzt und in allen anderen Himmelsrichtungen vom Meer. Sie umfasst 13 Länder von Slowenien bis zur Türkei und ist ethnisch, kulturell sowie religiös ausgesprochen vielfältig, was sich besonders in Bosnien und Herzegowina zeigt. Dieses Land, das sich vor den Toren der Europäischen Union befindet, wurde nach den Jugoslawienkriegen aus dem Nichts aufgebaut. Bis heute ist es von einer außergewöhnlichen Vielfalt, aber auch von politischer Instabilität geprägt. Das Land an der Grenze zu Kroatien, das ich vorher schon einmal besucht hatte, übt eine starke Anziehungskraft auf mich aus. Also sollte Bosnien und Herzegowina mein Reiseziel werden.

Einen Vormittag lang plante ich meine fünftägige Reise und vermied dabei wegen des Rennrads, mit dem ich unterwegs war, all die steinigen Wege, auf die ich mich normalerweise gefreut hätte. Die Reise begann an der Adria, wo sich das Dinarische Gebirge aus dem Meer erhebt, und führte in die pulsierende Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina: Sarajevo. Mich erwarteten etwa 260 Kilometer Asphalt, 5.000 Höhenmeter, zwei Grenzübergängen, das blauen Wasser der Adria, 150 Kilometer Zugfahrt, eine Hauptstadt, ein langsamer, meditativer Anstieg in das Herz des Bjelašnica-Massivs, mondähnliche Landschaften, Müllsäcke als Fahrradtransporttaschen, eine alpine Passage und Nächte bei gastfreundlichen Einheimischen. Und das alles mit einem guten Schuss Schnaps und Schweiß.

Anfang Oktober startete ich also in ein Abenteuer voller Kompromisse und in das glühende Herz dieser geheimnisvollen Balkanregion. Eine logistisch aufwendige Route, die als kleiner Einblick in ein Land gedacht war, das mich fasziniert und bewegt. Ich wollte mir aber ebenso Zeit lassen, durch die wunderschöne Stadt Mostar sowie die dynamische und multikulturelle Hauptstadt Sarajevo zu schlendern.

Diese spontane Reise zwischen zwei Ländern des ehemaligen Jugoslawiens, von äußerst heftigen Konflikten geprägt, hat mein Herz zum Rasen gebracht, mir die Tränen in die Augen getrieben und meine Muskeln herausgefordert. Die Kultur hat mich auf verschiedene Art und Weise tief getroffen, dazu haben auf der einen Seite die vielen wunderbaren Menschen und auf der anderen Seite die ständige Präsenz des viel zu nahen Krieges beigetragen. Die Erinnerungen hallen noch heute mit einer Macht wider, die ich nicht vermutet hätte. Ich kehrte erschüttert und keineswegs ausgeruht zurück. Mit nur einem Wunsch: länger und mit einem Mountainbike wiederzukommen.

Die Route, die je nach Schneelage zwischen April und Ende Oktober gefahren werden kann, beginnt auf Meereshöhe und führt in die Berge auf über 1.630 Meter Höhe. Dort gibt es sehr viele Wasserstellen und ich hatte nie Schwierigkeiten, meine Trinkflaschen aufzufüllen. Im Bjelašnica-Massiv findest du je nach Jahreszeit nur wenige oder gar keine Verpflegungsmöglichkeiten. Deshalb ist es ratsam, für diesen Abschnitt selbst genug zu essen dabeizuhaben. Ich hatte dafür nicht die richtige Ausrüstung dabei, aber ich würde sehr empfehlen, dort eine Nacht inmitten der Mondlandschaft zu campen.

Wenn du dich von meiner Route zu deinem eigenen Abenteuer inspirieren lässt, kannst du problemlos von den größeren Städten Mostar oder Sarajevo starten. Sie sind mit dem Bus von Zagreb oder Wien erreichbar. Wenn du dein Fahrrad im Laderaum eines Busses oder in einem Zugwaggon transportieren musst, hab sicherheitshalber fünf oder zehn Euro für den Fahrer oder den Zugbegleiter in der Tasche. In Bosnien und Herzegowina ist es in der Regel möglich, dein Fahrrad für fünf Euro mit in den Zug zu nehmen.

In Kroatien und Bosnien und Herzegowina wird dieselbe Sprache gesprochen: Serbokroatisch oder auch B/K/S (Bosnisch/Kroatisch/Serbisch), ein etwas barbarisches Akronym, das die ethnische und geopolitische Komplexität der Region gut zum Ausdruck bringt. Die Wörter, die du auf deiner Reise sicherlich lernen wirst, kannst du in sehr vielen Ländern des Balkans gebrauchen – ein Glück, denn die Sprache ist sehr komplex.